Konstanze

„Männer deines Alters können das nicht verstehen.“ meinte Konstanze. 

Was soll, das heißen, Männer meines Alters? Ich bin gerade 40 geworden und sie ist ungefähr 30. Warum ungefähr? Weil Frauen schon sehr früh beginnen an ihrem Geburtsdatum zu manipulieren und man das genaue Alter nie weiß.

Man sage einmal einer Frau: „Ich gratuliere dir zu deinem xxx. Geburtstag.“

Entweder sagt sie, das stimme nicht es sei erst der xx., oder wenn sie ehrlich ist meint sie wehmütig: „Nie mehr werde ich xxx sein.“

In beiden Fällen hat man das Gefühl  man sei ungalant gewesen. Das zu den Glückwünschen präsentierte Geschenk kann, je nach Grosszügigkeit, das Gesagte nur abschwächen.

Um auf Konstanze zurückzukommen. Was also konnte ich nicht verstehen?

Ich kann nicht verstehen, dass sie in die sozialen Medien eingestiegen ist und bereits viele Facebook FreundInnen hat.

„Ich habe es gemacht, weil Susi mir dazu geraten hat.“

Susi ist wirklich eine blöde Kuh, mit Verlaub gesagt. Ich sage es aber nicht.

Konstanze fährt fort: „…und weil ich dabei so viele meiner Jugendfreunde  gefunden habe. Wir können uns alles erzählen, was in unseren Leben bisher passiert ist,.“

„Ich hoffe du hast nichts über unserer Beziehung geschrieben.“

„Natürlich habe ich ihnen mitgeteilt, dass wir uns kennen.“

Als sie meine aufsteigenden Groll bemerkte sagt sie rasch: „ Ich habe auch geschrieben was für ein Schatz du bist.“

Ich drohe: „Wenn ich erfahren, dass du über intime Dinge unserer Beziehung schreibst, werde ich dich verlassen. Ich erzähle meinen Freunden ja auch nichts über unser Liebesleben.“

„Wo denkst du hin. Sag doch nicht so etwas Schlimmes.“

Sie streicht mir über die Wange und gibt mir einen Kuss auf die Stirne.

„Es können nur meine besten Freunde meine face-book Seite lesen.“

Konstanze ist ein hübsche, sportliche Frau. Wir sind seit einiger Zeit zusammen gezogen, aber sie hat ihre kleine Wohnung noch behalten. Mir gefällt ihre Selbstständigkeit, ihr Auftreten und ihre Vernunft. Also bin ich beruhigt, sie wird schon keine Indiskretionen begehen. Sie könnte diese ja auch in Briefe schreiben oder dies mündlich tun. Ich lasse dieses Thema  fallen. 

Einige Tage später, als wir gemütlich in einem Lokal essen, grüsse ich Bekannte die an einem anderen Tisch sitzen. Da einige uns nicht bekannte Personen mit ihnen sind, gehen wir nicht extra zu ihnen hin um ihnen die Hand zu schütteln, wir wollen nicht stören.

Konstanze raunt mir zu: „Weißt du, dass die zweite Frau auf diesem Tisch, die Freundin von Hans ist. Ich finde es unglaublich, dass er mit seiner Frau und ihr zugleich ausgeht. Schau aber jetzt bitte nicht hin.“

Ich schneide irritiert in mein Steak. „Ich kann es nicht glauben, die beiden waren doch bisher unzertrennlich. Wer dir das erzählt?“

„Brigitte hat es mir gepostet.“

„Wenn du es weißt, wissen es nun doch alle ihre Facebook Freundinnen.“

„Alle nicht, nur die ganz nahen. Man grenzt sich doch ab, Brigitte hätte es mir auch ohne face book erzählt.“ 

Ich esse schweigend weiter, aber der Appetit ist mir abhanden gekommen. Diese blöden Weiber, immer diese Tratscherei. Wer mit wem und warum. Mich interessiert das nicht. Man weiß ohnehin, dass heute alle Beziehungen brüchig sind.

Beim Verlassen des Lokals grüssen wir nochmals und dabei sehe ich, dass der neuen Schwarm von Hans nicht so übel ist. Sie scheint mit dem Mann mit dem sie da ist, liiert oder verheiratet zu sein, also ist es ein Doppelbetrug. Ich denke mir, die face book Verbindungen meiner Konstanze werden diese Neuigkeiten in Millisekunden verbreiten.

Konstanze und ich leben nun schon seit einem Jahr zusammen, wir sind beide berufstätig und sehen uns erst am Abend. Dann tauschen wir unsere Tageserlebnisse aus, sehen etwas fern und gehen lesend ins Bett. Wir gehen ins Kino, manchmal ins Theater und treffen Freunde. Beide sind wir im selben Fitnessstudio eingeschrieben, wo wir überflüssige Kalorien abarbeiten. Wir finden uns beide attraktiv und der Sex spielt eine wichtige Rolle. Sie meinte unlängst, für mein Alter sei ich noch ganz schön aktiv. Die Erwähnung meines Alters hat mich auch damals echt irritiert. Von Kindern will Konstanze noch nichts wissen.

Nun, face book beginnt unser Leben doch zu beeinflussen. Konstanze liest nicht mehr. Bis spät am Abend sitzt sie vor dem Notebook und tauscht sich mit alten und neuen Freunden aus. Wenn sie ins Bett kommt, schlafe ich schon. Sex wird langsam etwas kleiner geschrieben und findet höchsten am Samstag Nachmittag statt. O.K. Es passt schon noch. Mir fehlen die abendlichen Gespräche.

Wenn wir reden, fallen mir die Änderung ihrer Meinung und Ansichten auf. Auch ihre Freizeitgestaltung will sie nun ändern. Sie macht Yoga, da mache ich nicht mit. Sie wird von einer gemässigten Vegetarierin zu einer Beinahe-Veganerin. Damit zwingt sie mich in andere Lokale Essen zu gehen. Ich protestiere und lege ihr einige Zeitungsartikel vor die beweisen, das veganes Essen gesundheitsschädlich ist. Sie studiert die Artikel, schaut im Internet nach und nimmt wieder die alten Essengewohnheiten auf. Yoga macht sie weiter, sie sitzt anstatt mit mir zu reden, entspannt in der Lotusposition und meditiert. Ich sehe sie ins Leere starren. Narrenkastel schauen, haben wir als Kinder gesagt. Gut, damit komme ich auch noch zurecht. Innerlich entfernt sie sich immer weiter von mir. Sex wird noch spärlicher. Hat der verdammt Guru im Internet, Keuschheit gepredigt oder hat sie einen Freund? Irgendwie entgleitet sie mir und wir beginnen in parallelen Welten zu leben. Ich kenne einen ihrer Bürokollegen und rufe ihn an und wir treffen uns.

Ich frage ihn, ob ihm bei Susanne etwas aufgefallen sei. Er meint sie arbeite viel und gut, aber sie sei tatsächlich etwas seltsam geworden. Nun läuten bei die Alarmglocken. Mir ist plötzlich klar geworden, dass ich Konstanze liebe und sie nicht verlieren möchte. Ich schlage ihr vor über unsere Probleme zu sprechen.

Sie schaut mich mit einem mir rätselhaften Ausdruck an und fragt: „Haben wir Probleme? Es geht doch gut mit uns.“

Ich spreche nicht mehr weiter über das Thema und versuche mit der neuen Konstanze zurecht zu kommen. Konstanze isst immer weniger und wird richtig dünn. Ich fürchte sie bekommt eine Bulämie. Ich sage ihr dies und schicke sie zu einem Arzt. Nach der Ordination, konsultiert sie erneut das Internet und nun isst sie wieder mehr. Das Gewicht bleibt konstant. Diese Gefahr scheint abgewendet zu sein. Einmal kommt sie mit einem Stapel von Büchern aus der Buchhandlung. Entsetzt sehe ich, dass alle sich mit esoterischen Themen befassen. Sie vertieft sich darin und  beginnt mir von einer parallelen Welt zu erzählen, in denen die Gestorbenen leben.

„Hast du sie nicht alle?“ frage ich sie brutal.

„Du versteht das nicht, du bist zu sehr Realist.“ Sie lächelt wissend und seltsam. Ich denke mir, wenn das so weiter geht ziehe ich aus, wir werden uns trennen müssen. Aber kann ich sie in diesem Zustand allein lassen. Das wäre unanständig, wir haben uns ja geliebt.

Ich habe einen sehr gescheiten Freund, Herbert. Ich treffe mich mit ihm und erzähle ihm von unseren Problemen. Er denkt nach, dann sagt er: „Wenn du sie nicht im realen Alltag erreichst, musst du ihr in die Welt des face books folgen und mit ihr dort kommunizieren.“

„Wie geht das?“

„Werde Mitglied in der face book Gemeinschaft und frage dort ob sie dein Freundin werden will.“

„Wie komme ich zu ihr?“

„Du musst Angeln auslegen und nach ihr fischen. Es wird einige Zeit dauern bis sie anbeißt. Wähle zum Beispiel als dein Pseudonym einen Namen von dem du weißt, dass er ihr gefällt. Preise solche Interessen an, von denen du weißt, dass sie diese ebenso hat.“

„Sie liebt den Namen Valentin.“

„Also versuch es damit.“

„Du bist ein verdammt schlauer Kerl.“ Herbert lächelt milde über das Kompliment.

Ich überlege, wer soll mir dabei helfen? Ich bin in einer Anwaltskanzlei tätig und verbringe täglich einige Stunden vor dem PC, habe aber keine Erfahrung mit sozialen Medien. Ich finde das Wort soziale Medien schon irreführend. Damit wird eine soziale Tätigkeit impliziert. Dabei geht es ums Geld verdienen einiger Oberschlauer auf Kosten der Blöden. 

Mir fällt ein, wir haben doch einen jungen Kandidaten im Büro der immer von seinen Facebook Freunden spricht. Ich werde ihn bitten, für mich im Internet zu fischen. Ich bringe mein Anliegen vor. Er meint, er könne für mich eine e-mail Adresse erstellen mit der ich ins Facebook einsteige könne, ich könne irgendeinen beliebigen Namen verwenden und unter dem ein Profil erstellen. Vielleicht würde sie mich auffordern ihr face book Freund werden zu wollen, oder ich könnte sie auch direkt fragen.. Wenn wir nähere Bekanntschaft gemacht hätten, gäbe es auch die Möglichkeit direkt mit ihr zu chatten.

Ich meldete mich unter den Namen Valentin Gutmann an. Das sollte für sie doch einigermaßen attraktiv klingen. Ich erstelle ein Profil, dass alle meine Eigenschaften enthält, von denen sie mir immer gesagt hatte, dass sie ihr an mir gefielen und dann füge ich noch solche dazu von denen sie wollte dass ich sie habe.

Ich bin ruhig und zurückhaltend, im normalen Leben sie findet ich soll etwas selbstbewußter auftreten und meine Meinung stärker artikulieren. So schreibe ich hinein, dass ich beruflich immer gezwungen sei Verantwortung zu übernehmen und die Menschen von mir erwarten, dass ich für sie spreche. 

Natürlich schreibe ich auch, dass mir die Filme, Bücher und Musik gefielen, von denen ich weiß, dass sie auch ihr gefallen. Mir einem Wort, ich entwerfe das Bild ihres Traummannes.

Es dauert nicht lange und sie stößt auf mich. Sie fragt mich ob ich ihr Facebook Freund werden wolle. Ich stimme zu, aber gebe zunächst nicht zu viel von mir preis. Keinesfalls schicke ich ein Foto. Das macht sie neugierig. Ich schreibe, das ich aus Vorsicht, niemals Fotos schicken werde. Ob ich so häßlich sei? Nein, ich sei durchschnittlich aussehend und ich wolle auch von ihr keine Fotos sehen. Ich fände es schön mit jemand zu kommunizieren, den man nie gesehen habe und den man nur durch seine Wort, Gedanken und Wünsche kenne. Das Aussehen lenke dabei oft nur ab. Ihre Frage ob ich in einer Beziehung lebe, bejahe ich, gebe aber wieder nichts preis.

Während wir so beginnen uns über Facebook kennen zu lernen, verflachen unser Beziehungen in der realen Welt. Wir reden immer weniger, das einzige was aus früheren Zeiten bleibt ist der samstägige, nachmittägliche Zusammensein, der lange dauert und sehr erotisch ist. Am Abend gehen wir danach aus. Ich gewöhne mich inzwischen an diese Änderungen. Während der Woche führen wir lange Dialoge im Facebook und verbringen die Abende eher schweigend vor unseren Notebooks sitzend. Sie hat ihr Tablet ins Bett mitgenommen und ich sitze im Arbeitszimmer, wo ich zur Tarnung einige Akten daneben hingelegt habe. 

Ich beginne ihr mitzuteilen, dass ich in meinen derzeitigen Verhältnis nicht ganz glücklich sei. Ich hätte das Gefühl, dass meine Freundin einen anderen kennen gelernt habe und überlege sich von mir zu trennen. Ich moniere ein wenig über meine Freundin und schildere deren Eigenschaften. Dabei erwähne ihre Ausflüge in die vegane Küche und Esoterik. Sie bedauert es und schreibt mir, ihr gehe es in ihrer Beziehung derzeit auch nicht so gut.. Sie hätte einen netten Freund, aber der wolle nicht akzeptieren, dass sie im Begriff sei sich zu ändern. Er sei schon älter, etwas altmodisch und könne mit dem heutigen Leben nichts mehr anfangen. (Schon wieder der Hinweis auf mein Alter). Für ihn wäre es z.B. unmöglich, sich der sozialen Medien zu bedienen. Er behauptet man würde durch diese manipuliert. Sie lasse sich von niemand manipulieren. Auch sonst sei er sehr konservativ. Er kleide sich konservativ und trage noch Krawatten und Schuhe aus Leder. Er sei glatt rasiert, sie fände einen Bart sexy.

Ich teile ihr mit, meine Freundin spreche sehr wenig mit mir und entferne sich innerlich von mir. Ich sei sehr traurig.

Daraufhin spricht Konstanze im realen Alltag wieder öfters mit mir.

Ich berichte ihr im Facebook, dass ich nun mit meiner Freundin mehr spreche, sie würde auch mehr Zeit für mich haben.

Ich trage nun weniger oft Krawatten und habe mir Turnschuhe gekauft. So kleide ich mich aber nur in der Freizeit.

Sie berichtet mir im Facebook, das ihre Beziehung sich auch gebessert habe. Ihre Überredungskunst habe genützt, er kleide sich jugendlicher, obwohl er Rechtsanwalt sei. So passe er besser zu ihr.

Zm Teufel, warum hat sie mir das nicht einfach gesagt? Ich betrachte mich im Spiegel, mein Anzug sitzt, die Krawatte harmoniert, die Schuhe sind geputzt. So muss ein Anwalt aussehen zu dem die Klienten Vertrauen haben. Ich bin doch kein Fussballer. Einen neuen Haarschnitt und einen Bart lege ich mir auch nicht zu.

Ich gratuliere ihr zu den Verbesserungen ihrer Beziehung und teile ihr mit, ich sei mit meiner Freundin jetzt auch zufriedener. Außerdem fände ich sie intelligent und sehr attraktiv.

Das scheint sie etwas herauszufordern und meint, ob wir uns nicht doch einmal in der realen Welt treffen sollten. Man könne besser miteinander kommunizieren.

Mir ist klar sie will mir zeigen, dass sie hübscher ist als sie.

Sie will, dass ich sie mit ihr betrüge, und ich soll mich auch mit mir betrügen. Ich kann dieses  Dilemma schwer lösen und melde ich mich einige Zeit nicht. 

Sie fragt ob ich beleidigt sei.

Ich schweige weiter.

Im realen Alltag ist Konstanze nun verändert. Sie wirkt traurig und spricht sehr wenig. Wenn ich sie frage was denn los sei, ob sie Sorgen habe, murmelt sie etwas von beruflicher Überlastung. 

Ich bemühe mich in der realen Welt um sie und finde es war von mir hinterhältig, zu versuchen mit Facebook auf sie Einfluss zu nehmen.

Sie schreibt mir nun, sie sei besorgt, dass ich mich mehr melde. 

Ich antworte ihr endlich, dass es mir nicht mehr möglich sei ihr Freund zu sein, ich empfände das als eine Untreue gegenüber meiner Freundin. Ich verabschiede mich von ihr.

Ich lese aber weiterhin ihre Facebook Seite. Sie teilt ihren Freundinnen mit, dass sie traurig sei ihren Facebook Freund verloren zu haben, der für sie der Mann des Lebens sein hätte können.  Also geistig hat sie mich nun ja doch betrogen. Ihre Freundinnen bedauern und trösten sie. Dabei lerne ich eine Menge über ihre Facebook  Freundinnen. Ich dringe in mehrere Familienleben ein. Ich denke mir, dass sie alle verrückt sind, sich so zu exponieren.

Unser reales Leben hat sich inzwischen langsam verbessert. Auch ohne meinen Facebook -Rat, wird kein Yoga, keine Esoterik und keine neue Diät mehr praktiziert. Ich gebe ihr einige Bücher zu lesen die ich inzwischen gelesen habe und die mir gefallen haben. Wir sprechen über diese Bücher. Sie verbringt am Abend weniger Zeit am Tablet.  Sex während der Woche kommt immer öfters vor.

Es ist seltsam ihre ganze Freundesrunde scheint eine gewisse Krise durchzumachen. Konstanze teilt mir mit, dass ihre Freundinnen immer seltener von sich im Facebook berichten. Offenbar hat bei mehreren das Denken eingesetzt.

Ich ziehe ich mich vom Facebook ganz zurück.

Im Alltag ist nun fast wie vorher. Unser Leben verläuft in geregelten Bahnen. Ich schlage Konstanze vor einen längere Reise zu machen. Sie freut sich und willigt sofort ein. Urlaubstage haben wir mehr als genug. Es soll sie sein, die entscheidet wohin es geht. Sie will nach Australien. Ich bin einverstanden.

Die Reise wird ein voller Erfolg, sie ist wie eine Hochzeitsreise. Wir wandeln eng umschlungen durch fünften Kontinent und verbringen tolle Liebesnächte, besonders in Queensland, wo wir in einem Hotel mit Moskitonetzen schlafen. Konstanze wirkt hinter dem Netz sexuell anziehend wie eine Odaliske. Wir geizen nicht bei den Ausgaben und leisten uns beim Rückflug eine Aufzahlung für die erste Klasse.

Wieder zurückgekommen verläuft unser Zusammenleben besser als je und als mir Konstanze mitteilt, dass die Reise nicht ohne Konsequenzen geblieben ist, beschließen endgültig zusammen zu bleiben und planen wir eine Hochzeit.